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Rhiannons Geschichte:
7. Kapitel

(von Jennifer Fausek)

Rhiannon Jennings saß auf einem Fensterbrett im Wohnzimmer, den Rücken an den einen, die Füße an den anderen Rand des Fensters gestützt und sah zum Himmel hinauf.
Von den beiden Monden, die Minbar umkreisten, waren im Moment nur Sicheln zu sehen. Erste Sterne leuchteten bereits in der Dämmerung auf, und nach und nach verwandelte sich Yedor in ein sanft glitzerndes Lichtermeer, als immer mehr Lampen und Laternen angingen.
Sehr viele Abende saß Ria da und dachte über den vergangenen Tag nach. Es war eine Art Meditation für sie. Ein leichter Wind trug die kühle Nachtluft ins Zimmer und ließ das Mädchen kurz frösteln.
Delenn beobachtete sie und lächelte. Die Minbari hatte Rhiannon inzwischen wirklich liebgewonnen. Delenn mochte die schlichte menschliche Weisheit, die in den Bemerkungen ihrer Schülerin immer wieder zum Ausdruck kam. Ria nahm nie ein Blatt vor den Mund, ohne jedoch ihr gegenüber zu direkt oder zu brutal zu sein.
Außerdem sah sie die Dinge mir einer Klarheit, die Delenn immer wieder erstaunte. Lange Zeit hatte sie die Menschen für unzivilisiert gehalten und ihnen nicht zugetraut, dass sie einen scharfen Verstand hatten, geschweige denn ein Gespür für Poesie oder einen ausgeprägten Sinn für Humor.
"Worüber denkst du nach?" wollte Delenn wissen.
Rhiannon wandte den Kopf in ihre Richtung und lächelte ertappt. "Über die Zukunft. Mir ist klar, es hat noch Zeit, aber ich habe mich gefragt, welchen Beruf ich einmal haben werde."
"Hast du dir schon etwas überlegt?"
Mit einem geschmeidigen Satz sprang Ria ins Zimmer und nickte. "Ich habe Rakall ein paar Mal im Tempel geholfen, Schrammen zu behandeln. Sie meinte, ich hätte Talent dazu. Wenn sich eine Gelegenheit dazu ergibt, würde ich gerne von ihr zumindest in der Erstversorgung von Verletzten unterrichtet werden. Vielleicht ist sie sogar bereit, mich zur Assistentin und dann möglicherweise auch als Heilerin auszubilden."
"Ich wusste gar nicht, dass du eine Heilerin werden willst", entgegnete Delenn. "Ich dachte, du wolltest von Shaal Mayan mehr über Poesie lernen und Schriftstellerin werden, wie dein Vater."
Rhiannon lachte kurz. "Der Unterricht in minbarischer Poesie macht mir sehr viel Spaß", meinte sie, während sie das Fenster schloss. "Aber ich bin leider keine so gute Schriftstellerin, wie mein Vater es war." Sie zuckte leichthin die Schultern. "Und ob ich wirklich eine Heilerin sein will, weiß ich auch noch nicht. Ich behalte mir nur die Möglichkeit vor."
Obwohl es recht unbekümmert geklungen hatte, machte sich Ria doch mehr Sorgen, als sie zugab. Sie genoss die Zeit im Tempel sehr, aber trotz ihrer erst fünfzehneinhalb Jahre begriff sie langsam, dass sie nicht für immer dort bleiben konnte. Für Rhiannon war klar, sie war nicht zur Priesterin oder Lehrerin geboren, selbst wenn sie eine Minbari gewesen wäre.
"Es ist gut, wenn du dir Möglichkeiten schaffst", sagte Delenn. "Denn eines Tages wirst du dem Ruf deines Herzens folgen müssen. Und wenn die Zeit dafür gekommen ist, musst du deinen Weg wählen können."
Ria verstand nicht ganz, was ihre Mentorin damit meinte, fragte aber nicht weiter danach. Inzwischen lebte Rhiannon lange genug bei den Minbari um zu wissen, dass Delenn ihr jetzt keine Antwort geben würde.
"Heute nacht findet noch eine Sitzung des Grauen Rates statt. Ich möchte, dass du mich fliegst."
"Mach ich." Ria seufzte. "Warum müsst ihr euch eigentlich immer in der Nacht treffen?"
"Ich glaube, es ist Tradition", entgegnete Delenn. "Wir fliegen in einer Stunde. Vermutlich wird es länger dauern, wir werden wohl auf dem Schiff übernachten."
Auch das noch, dachte Rhiannon und rollte die Augen. "Ich werde mich um alles kümmern", sagte sie.
Ria begleitete Delenn so gut wie jedes Mal mit zum Grauen Rat, aber bisher kannte sie außer ihr keine weiteren Satais. Die Mitglieder des Rates gaben sich nämlich Außenweltlern gegenüber nur selten zu erkennen.
Um so mehr erstaunte es das Mädchen, dass ihnen zwei Minbari entgegenkamen, kaum hatten sie die Andockbucht verlassen.
Einer der beiden Minbari war schon sehr alt - und ganz offensichtlich ein Satai. Die graue Kutte mit der zurückgeschlagenen Kapuze war Beweis genug. In einer Hand hielt er einen langen Stab mit einem der kleinen Triluminary in der kunstvoll geformten Spitze.
Der andere Minbari war ein wenig jünger. Soweit Rhiannon sehen konnte, stammte er aus der religiösen Kaste, aber sein Rang war durch nichts auszumachen.
"Ich grüße dich, Delenn", sagte der Minbari mit dem Stab freundlich und musterte Ria. "Oh, ich hatte gehofft, Riann einmal wiederzusehen. Sie scheint sich ja gut zu machen."
"Ja, Gewählter." Delenn verneigte sich leicht. "Ich bin sehr zufrieden mit ihr."
"Das freut mich zu hören." Der Blick des alten Satai ließ Rhiannon nicht los. "Riann, bitte komm doch mal zu mir, mein Kind."
Ria kam zögernd näher und verbeugte sich höflich. Sie wagte nicht, etwas zu sagen. Verunsichert wartete sie ab, was nun geschehen würde.
"Vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen", sagte der alte Minbari gütig. "Ich bin Satai Jenimer, das gewählte Oberhaupt des Grauen Rates. Ich freue mich, dass wir uns dieses Mal unter besseren Umständen sehen."
"Es ist mir eine Freude und Ehre, Sie diesmal persönlich kennenzulernen, Gewählter", entgegnete Ria im höflichsten minbari der religiösen Kaste, da der Satai ebenfalls diese Sprache benutzt hatte und hoffte dabei, dass sie die Titelbezeichnung, die sie zuvor von Delenn gehört hatte, richtig verwendete.
Offenbar war das der Fall, denn Jenimer lächelte erfreut. "Ich sehe, es war richtig, dich bei uns bleiben zu lassen." Plötzlich wurde er ernst. "Auf dir liegt große Hoffnung, mein Kind. Du bist nämlich eine der Brücken zwischen Minbari und Menschen."
"Satai Delenn hat etwas Derartiges auch schon zu mir gesagt", erwiderte Rhiannon vorsichtig.
Jenimer nickte zufrieden. "Ich weiß." Er drehte sich zu seinem Begleiter um. "Das ist übrigens Satai Rathenn aus der religiösen Kaste."
Ria sah den unscheinbaren Minbari überrascht an. Er war so still und zurückhaltend, dass sie nie auf die Idee gekommen wäre, dass er ein Mitglied des Grauen Rates war.
"Du brauchst mich nicht mit meinem Rang anzureden", sagte Rathenn, amüsiert über Rhiannons sichtliche Verblüffung. "Ich lege keinen Wert auf solche Förmlichkeiten."
Das Mädchen blinzelte und verneigte sich dann. "Wie Sie wünschen." Ihr kam es seltsam vor, ein Mitglied des gefürchteten Grauen Rates so zwanglos anzusprechen.
Selbst bei Delenn benutzte Ria während offizieller Anlässe immer eine sehr förmliche Sprache, allerdings nicht, weil Delenn es verlangt hätte, sondern weil sie es selbst für angemessen hielt.
"Die Sitzung beginnt in einer halben Stunde", sagte Satai Jenimer.
"Dann werde ich mich jetzt umziehen", entgegnete Rathenn.
"Und ich auch", fügte Delenn hinzu.
Die beiden Satais verneigten sich vor dem Gewählten, und Ria folgte Delenn zu ihren privaten Quartieren. Rhiannon half dabei, einige Aufzeichnungen für die Konferenz herzurichten und legte sich dann hin, als sich Delenn schließlich auf den Weg machte.

Rhiannon hatte die erste Zeit auf Minbar geglaubt, sie würde vielleicht drei, höchstens vier Monate bleiben, und jetzt war sie schon ein Jahr hier. In einigen Wochen würde sie sechzehn Jahre alt werden, was bedeutete, wenn sie wollte durfte sie nach den Gesetzen der Erdallianz alleine eine Wohnung mieten und eine ganztägige Arbeit annehmen, nicht nur die kleinen Jobs, die Kinder ab zwölf Jahren nach der Schule haben durften.
Kurzum: Wenn sie wollte konnte sie bald gehen und versuchen, irgendwo in der Erdallianz ihr eigenes Leben aufzubauen.
Aber Ria war sich gar nicht mehr so sicher, ob sie wirklich in die Erdallianz zurück wollte, jedenfalls nicht so bald. Inzwischen hatte sie hier Freunde gefunden, und sie wollte nicht jetzt, wo sie gerade damit begann, in Delenn nicht nur eine Mentorin, sondern auch eine Art Pflegemutter zu sehen, schon wieder alles aufgeben, um ein neues Leben zu beginnen.
Sicher, das Verhältnis zwischen Menschen und Minbari begann sich erst langsam zu normalisieren. Es gab immer noch viele Anfeindungen, aber Personen, die einen nicht mochten, gab es schließlich überall.
Rhiannon unterdrückte ein Seufzen. Sie schaufelte ihr Abendessen in sich hinein, ohne zu merken, was da eigentlich auf ihrer Gabel war.
"Ist alles in Ordnung mit dir? Du bist die letzten Tage schon so komisch."
Sie zuckte leicht zusammen, als Delenns Stimme sie aus ihren Gedanken riss. "Ja, es ist nichts." Sie gestikulierte leicht. "Nur... Erinnerst du dich, du hast mal zu mir gesagt, ich könne gehen, sobald ich in der Lage bin, für mich selbst zu sorgen."
"Ja, sicher", entgegnete Delenn verwundert.
"Ich werde bald sechzehn." Rhiannon zuckte die Achseln. "Und dann ist es soweit. Dann werde ich auf eigenen Beinen stehen können."
Delenn ließ die Gabel sinken. "Heißt das, du willst zurück in die Erdallianz und versuchen, dir dort ein Leben aufzubauen?"
Ria sah ein wenig unsicher aus. "Ich weiß es einfach nicht. Ich würde eigentlich schon gerne bei dir bleiben, denn ich mag dich wirklich, und mir gefällt es hier auf Minbar. Aber ich möchte endlich eine Familie haben, Leute, die meine Heimat sind und zu denen ich immer zurückkommen kann - wo auch immer das Zuhause dann einmal sein mag. Du und Nistel, ihr habt sehr viel für mich getan, es hat sonst nur noch eine Handvoll Leute gegeben, die sich wirklich um mich gekümmert haben. Aber ihr beide helft mir als Freunde, und Freunde können eine richtige Familie nun einmal nicht ersetzten."
"Ich weiß was du meinst", sagte Delenn nachdenklich. "Willst du deine Verwandten suchen?"
Rhiannon schüttelte den Kopf. "Nein. Selbst wenn sie noch leben und ich herausfinde, wo sie sich aufhalten... Es ist noch lange nicht sicher, dass sie mich auch akzeptieren."
"Wie willst du eine Familie finden?"
Ria blickte ihre Mentorin ratlos an. "Ich weiß nicht. Aber bei uns Menschen bezieht sich das Wort ,Familie' nicht unbedingt auf Blutsverwandte, sondern auch auf Leute, die eine besondere Beziehung zu einem haben, und zwar mehr als freundschaftlich."
Delenn nahm nachdenklich eine Gabel voll Gemüse in den Mund, als sie überlegte. "Ich hoffe, du wirst trotzdem noch eine Weile bei mir bleiben."
"Ich denke schon", antwortete Rhiannon. "Ich wüsste ohnehin nicht, wo ich im Moment hin sollte. Und wenn Rakall mich tatsächlich zur Heilerassistentin ausbilden will, würde ich schon gerne noch ein Jahr bleiben, um die Ausbildung zu beenden. Falls du mich so lange hier behalten willst."
"Natürlich", sagte Delenn liebevoll. "Ich freue mich, dass du bei mir bist, das weißt du." Ria brummte zustimmend, und Delenn fuhr fort: "Ich bin mir sicher, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, wirst du genau wissen, wo du hingehörst und welcher Weg für dich der richtige ist. Du musst nur etwas Geduld haben."
Ria lächelte schief. "Das wird mir nicht leicht fallen."
"Nein." Delenn erwiderte das Lächeln dünn. "Aber die Zeit bringt Antworten auf viele Fragen."
Rhiannon musste bei dem minbarischen Sprichwort lachen. "Hoffen wir's."


Fortsetzung: Kapitel 8


Jennifer Fausek
14.10.2002
Website von Jennifer Fausek

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