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Rhiannons Geschichte (2. Band):
3. Kapitel

(von Jennifer Fausek)

William Cole war das erste Mal auf Minbar. Er hatte schon lange mit dem Gedanken gespielt, diese Welt zu besuchen, doch bisher war irgendwie immer etwas dazwischengekommen. Aber jetzt war er hier und konnte nun die Kultur der Minbari Vorort kennenlernen. Auch die Sprache wollte er lernen, denn er konnte sie bisher nicht besonders gut verstehen und schon gar nicht sprechen.
Will war jetzt knapp sechsundzwanzig Jahre alt, und seit er die Schule abgeschlossen hatte, gondelte er durch das All. Er schaute sich alle Welten an, die er schon als Kind hatte sehen wollen.
Ihm lag nichts an dem seit dem Krieg gegen die Minbari mehr schlecht als recht gehenden Familienunternehmen auf Arisia III, einer kleinen Bergbaukolonie.
Sein Bruder Marcus hatte von ihm erwartet, dass er dabei half, die Firma am Laufen zu halten, besonders nach dem Tod der Eltern vor etwa sechs Jahren.
Will hatte damals, dadurch, dass er seine Heimat verlassen hatte verhindern wollen, dass er in eine Verantwortung hinein gedrängt wurde, an der ihm nichts lag. Er hatte sich noch nie für Bergbau interessiert, und er wollte nicht für das Leben all der Leute in der Firma verantwortlich sein. Um ehrlich zu sein wollte er für überhaupt niemanden die Verantwortung tragen, außer für sich selbst.
Marcus hatte ihm das sehr übel genommen, und sie hatten sich wegen dieser Sache immer wieder gestritten. Deshalb hatten sie auch kaum mehr Kontakt.
Nur ab und zu schickte William eine Nachricht nach Arisia, aber kaum eine wurde je beantwortet. Doch das erwartete er auch nicht. Schließlich war er die letzten acht Jahre selten länger als ein paar Wochen, wenn es hoch kam ein paar Monate an ein und dem selben Ort geblieben.
Zwischendurch hatte sich Will immer wieder Geld für seine Reisen verdienen müssen. Er hatte häufig für kurze Zeit auf verschiedenen Frachtschiffen angeheuert. Außerdem hatte er sich mit Glücksspielen und sonstigen halblegalen Sachen über Wasser gehalten. Einige Male war er aber auch ganz pleite gewesen.
Auch im Moment hatte Will nicht besonders viel Geld. Es reichte gerade Mal für zwei, wenn er sehr sparsam war vielleicht drei Monate. Es war ihm eigentlich egal, er würde schon irgendwie zurecht kommen, so wie jedes Mal. Er wollte ohnehin nur etwa ein halbes Jahr auf Minbar bleiben, nicht länger, und für diese Zeit konnte er das Geld bestimmt auftreiben.
Der Anfang gestaltete sich schwieriger, als William sich das vorgestellt hatte. Er kannte ja niemanden, und die Minbari hatten offenbar keine große Lust, ihm weiter zu helfen, damit er wenigstens eine angemessene Unterkunft und etwas zu Essen bekam.
So tragisch war das nun auch wieder nicht, fand Will. Es war früher Morgen, da hatte er also den ganzen Tag Zeit um sich ein Hotel zu suchen. Und am Verhungern war er auch noch nicht wirklich, obwohl er an diesem Morgen noch nicht gefrühstückt hatte.
William ließ seine Sachen erst einmal in einem großen Schließfach im Raumflughafen und ging dann zum Regierungsgebäude von Yedor, Minbars Hauptstadt, um sich registrieren zu lassen, wie es für Außenweltler vorgeschrieben war.
Nach dieser ermüdenden Prozedur (es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er endlich abgefertigt wurde und außerdem waren die Behörden für seinen Geschmack etwas zu neugierig) wollte er erst einmal auf dem Markt in einem der zahlreichen Lokale ausgedehnt frühstücken
Inzwischen hatte er doch Hunger bekommen, und er verfluchte es, dass er während des Fluges so lange geschlafen hatte und deshalb keine Zeit mehr zum Essen geblieben war.
William sah sich nach einem geeigneten Café oder Restaurant um und stieß dabei plötzlich mit jemandem zusammen.
Etwas fiel zu Boden.
"He, Vorsicht! Sie sollten schon schauen, wo Sie hinlaufen. Ich bin zwar klein, aber deswegen müssen Sie mich nicht gleich über den Haufen rennen."
Erst jetzt bemerkte er die junge Frau vor sich. Er riss erstaunt die Augen auf, als er sie anstarrte. Diese Frau hatte ihn nicht nur auf Erdstandard angesprochen, sie war sogar ein Mensch!
Sie hatte das prächtigste schwarze Haar, das er jemals gesehen hatte. Es reichte ihr über den ganzen Hintern hinab. Ihr Gesicht war schmal und ebenmäßig und wurde von großen grünen Augen dominiert, die ihn jetzt amüsiert ansahen.
An und für sich war die Frau eigentlich keine Schönheit. Sie war bestimmt nicht hässlich aber eben nur Durchschnitt. Doch es ging etwas Merkwürdiges von ihr aus, das er nicht genau beschreiben konnte. Es erschreckte und faszinierte ihn gleichermaßen.
"Entschuldigen Sie", brachte er schließlich hervor. Er hob die Tasche auf, die seinem Gegenüber zu Boden gefallen war und gab sie ihr zurück. "Es war bestimmt keine Absicht."
"Schon gut." Sie lächelte spöttisch. "Es war zum Glück nichts Zerbrechliches darin."
William lächelte zaghaft. "Darf ich Sie auf den Schrecken hin zum Frühstück einladen?"
Eine Weile lang war es still, und William sah sich die junge Frau genauer an. Ihre Kleidung schien so etwas wie eine Uniform zu sein. An der leichten Weste war ein Abzeichen angebracht, das aus einem Stein bestand, der die selbe Farbe wie ihre Augen hatte und mit Gold und Silber eingerahmt war.
Die Frau schwieg so lange, dass Will eigentlich schon mit einer Absage rechnete. Dabei hätte er sie gerne ein wenig näher kennengelernt. Es gab mit Sicherheit nicht viele menschliche Frauen auf Minbar, und er hatte gegen eine kurze Romanze nichts einzuwenden...
"Von mir aus gerne", sagte die junge Frau schließlich. "Aber zuerst sollten wir uns einander vorstellen."
"Natürlich." Er streckte ihr die Hand entgegen. "Ich bin William Cole."
Sie ergriff seine Hand und drückte sie kurz. "Und ich bin Rhiannon Jennings, genannt Ria."
In seinen Augen blitzte es amüsiert. "Wenn Sie Rhiannon sind, wo haben Sie dann Ihr Pferd gelassen?"
Ria lachte überrascht auf. "Ich wusste nicht, dass auch noch jemand außer meiner Mutter und mir das Mabinogi kennt."
"Ich habe das Buch gelesen", erwiderte William. "Meine Eltern haben darauf bestanden, weil die Geschichte ein Teil unserer ursprünglichen Heimat ist. Meine Familie ist britischer Abstammung."
"Ach so", meinte sie nur und lächelte leicht.
Sie schlenderten los. Rhiannon führte ihren neuen Bekannten zu einem der Frühstückcafés am Markt. Sie kannte die Leute dort offenbar gut, wie William feststellte und bestellte das Essen ganz selbstverständlich im Dialekt der Arbeiterkaste, da die Bedienung ja aus dieser Kaste stammte und scherzte sogar mit dem jungen Minbari.
"Du scheinst dich hier ja gut auszukennen", bemerkte Will und ging dabei ganz zwanglos zum Du über. "Seit wann bist du schon auf Minbar?"
"Oh, Minbar ist schon seit sechs Jahren meine Heimat." Bevor William eine Frage stellen konnte hob Ria abwehrend die Hand. "Wie das gekommen ist, ist eine lange Geschichte, und ich habe keine große Lust dir das jetzt alles zu erzählen."
"Wie du meinst." Er musterte sie gründlich. "Und was machst du beruflich? Ist das eine Uniform, die du da anhast?" Er wurde misstrauisch. "Du bist doch kein Cop, oder?"
Rhiannon musste lachen. "Nein, ich bin keine Polizistin. Aber es stimmt schon, ich trage eine Uniform." Sie wich seinem Blick aus. "Ich bin ein... Ranger, ja dieses Wort kommt der Sache am Nächsten. Nur dass ich mich nicht um Naturschutzgebiete und die Tiere dort kümmere, sondern Leuten helfe, die Schutz brauchen oder die in Not sind."
Sie wurden unterbrochen, als die Bedienung Tee, Brot und Früchte brachte. Ria bezahlte den jungen Mann sofort und bedankte sich überschwenglich bei ihm.
"Aber jetzt erzähle doch mal mehr von dir", nahm Rhiannon das Gespräch wieder auf. "Woher kommst du? Und seit wann bist du auf Minbar?"
"Ich bin auf Arisia III geboren und aufgewachsen", antwortete Will bereitwillig. "Aber seit einigen Jahren trampe ich herum und sehe mir alle Welten an, die mich interessieren. Ich bin nach Minbar gekommen, um die Kultur kennenzulernen und meine Sprachkenntnisse zu verbessern. Mein minbari ist nämlich leider nicht besonders gut. Ich bin vor etwa zwei Stunden mit einem Passagierschiff angekommen."
Ria nahm sich etwas Brot, kaute nachdenklich und spülte es dann mit Tee hinunter. "Wenn du willst, bringe ich dir die Sprache bei und zeige dir Minbar."
William schluckte hastig. "Das wäre toll. Ich kenne hier nämlich niemanden."
"Hast du schon einen Platz, wo du wohnen kannst?" Als William den Kopf schüttelte, fügte sie hinzu: "Dann komm doch mit mir zu meiner Familie. Wir haben genug Platz."
Beinahe wäre Will der Bissen im Hals steckengeblieben. "Du hast eine Familie?"
Rhiannon lachte. "Wieso überrascht dich das so? Ich lebe zusammen mit einem guten Freund von mir und meiner kleinen Tochter in einem hübschen Haus. Eigentlich ist es das Haus meiner Pflegemutter, aber sie ist leider für einige Zeit weggezogen, deshalb leben wir jetzt nur noch zu dritt zusammen."
"Was ist mit deinen richtigen Eltern? Sind sie tot?"
Ria wurde plötzlich ernst. "Ja, schon lange."
Will sah sie vorsichtig an. "Und dein Lebensgefährte?"
"Es gibt keinen", antwortete Rhiannon in einem Tonfall, der deutlich machte, dass sie nicht weiter über dieses Thema sprechen wollte. Sie atmete tief durch, um die düstere Stimmung aus sich zu vertreiben. "Und? Nimmst du mein Angebot an?"
William überlegte kurz. Das war doch eigentlich perfekt... "Ja, ich danke dir. Was verlangst du dafür?"
"Als Gegenleistung möchte ich, dass du dich ab und zu im Haus nützlich machst, wenn es viel zu tun gibt und monatlich sagen wir... dreißig Krediteinheiten abgibst."
"Gut, das klingt fair." Eine so billige Unterkunft würde er sonst nirgends finden. Dann wurde William misstrauisch. "Warum willst du mir eigentlich helfen?"
Ein merkwürdiges Lächeln umspielte Rias Lippen. "Wie ich schon sagte: Es ist meine Aufgabe, Leuten zu helfen. Und du scheinst etwas Hilfe zu brauchen."
William sah sie nur nachdenklich an, und als er ihren Blick traf, glaubte er in ihren Augen etwas zu erkennen, das ihm sagte, dass Hilfsbereitschaft nicht der einzige Grund war, warum sie bereit war, ihn aufzunehmen. Sie schien ihn zumindest ein wenig zu mögen.
Den Rest des Frühstücks aßen sie schweigend.

Nistel war mit Zora spazieren gegangen, als Rhiannon mit William und seinen Sachen im Schlepptau nach Hause kam.
"Nalae, bitte richte unserem Gast eines der Besucherzimmer her. Er wird für eine Weile bei uns bleiben", sagte Ria.
"Ich werde mich um alles kümmern." Die alte Frau verneigte sich.
Nalaes Sohn Tonall kam zu ihnen. "Im Wohnzimmer wartet ein Bote auf dich, Ria. Er hat eine Nachricht für dich von Babylon 5."
Rhiannon lächelte erfreut. "Sehr gut, ich gehe gleich zu ihm."
"Was ist los?" fragte Will, der so gut wie nichts von dem Gespräch verstanden hatte, weil Ria und die Haushaltshilfen minbari gesprochen hatten.
"Nichts weiter", beruhigte Ria ihn. "Ich habe nur eine Nachricht bekommen. Geh bitte inzwischen mit Nalae und Tonall mit, sie werden dir alles zeigen. Ich komme zu dir, sobald ich die Mitteilung gehört habe."
"Ist gut."
Während William den beiden Haushaltshilfen zu einem der Besucherzimmer, die je nach Bedarf als Schlaf- oder Besprechungszimmer dienten, folgte, lief Rhiannon schnell ins Wohnzimmer.
Der Bote hatte bereits, wie die Höflichkeit es verlangte, zu essen und zu trinken bekommen. Er verneigte sich vor Ria und gab ihr einen Datenkristall. "Satai Delenn lässt dir diese Nachricht zukommen."
Sie nahm die Aufzeichnung an sich und erwiderte die Verbeugung. "Vielen Dank."
"Soll ich der Satai etwas ausrichten?"
Rhiannon nickte. "Sag ihr ,Schöne Grüße von Riann'. Sie weiß schon, was damit gemeint ist."
"In Ordnung."
Ria brachte den Boten hinaus und ging dann in ihr Zimmer. Um sich die Nachricht anzuhören setzte sie die Kopfhörer auf, damit niemand, auch nicht versehentlich, mithören konnte.
Ria gab die Passwörter ein, um die Mitteilung zu decodieren. Jemand, der den Code nicht kannte, konnte die Aufzeichnung nur schwer entschlüsseln.
Ria gab die letzte Sequenz ein, die die Nachricht aktivierte, und Delenn erschien auf dem Bildschirm. "Hallo Ria", sagte sie und lächelte kurz. "Ich weiß, du wartest sicher schon lange auf einen Brief von mir.
Jetzt bin ich gerade einmal drei Wochen auf Babylon 5. Hier geht es bisher sehr... turbulent zu.
Botschafter Kosh von den Vorlonen wäre bei seiner Ankunft beinahe ermordet worden..."
Also sind auch die Vorlonen nicht unverletzlich und unsterblich, dachte Rhiannon mit grimmiger Zufriedenheit.
"... aber dank Dr. Kyles ärztlichem Können und der Hilfe einer Telepathin namens Lyta Alexander hat er den Anschlag überlebt. Zuerst sah es so aus, als wäre Commander Sinclair für den Angriff auf Kosh verantwortlich gewesen, aber seine Unschuld wurde zum Glück im Laufe der Ermittlungen bewiesen.
Wie auch immer, nach diesem Zwischenfall ist Dr. Kyle zur Erde zurückbeordert worden. Angeblich hat er dort eine andere, lukrativere Stellung angeboten bekommen. Seinen Platz hat ein Arzt namens Stephen Franklin eingenommen.
Unser Erster Offizier, Lieutenant Commander Takashima, die in dem Fall die Ermittlungen geführt hat, ist ebenfalls zur Erde zurück versetzt worden. Neuer Erster Offizier ist jetzt Susan Ivanova, eine Russin mit einem sehr eigenem Sinn für Humor.
Und Lyta Alexander?" Delenn sah besorgt aus. "Seit der Sache mit Kosh ist sie einfach spurlos verschwunden. Keiner weiß, wo sie jetzt ist.
Von den anderen Abgesandten kann ich dir im Moment noch nicht sehr viel erzählen, denn ich kenne sie noch nicht besonders gut. Die einzige Ausnahme ist Botschafter G?Kar von den Narn. Seit ich auf der Station angekommen bin, hat er mich ständig beobachtet und wollte mich ausfragen. Ich fürchte, er weiß etwas über die Schatten. Ich weiß nicht, wer ihm von ihnen erzählt hat, aber seine Beschreibungen von den Schiffen und den Zerstörungen stimmen mit dem überein, was wir wissen. Ich denke, er könnte alles verraten oder uns sogar direkt gefährlich werden, auch wenn er nur Legenden aus einem uralten Buch seines Volkes als Beweis hat.
Jedenfalls habe ich ihm gedroht, dass ich ihn zertrete, wenn er mich nicht in Ruhe lässt. Ich hoffe, das hält ihn vorläufig davon ab, mich mit Fragen zu löchern."
Ria hob zuerst die Augenbrauen und kicherte dann leise, als sie sich die Szene vorstellte: Die zierliche, kleine Delenn legte sich mit einem riesigen Narn an, der bestimmt mindestens zwei Köpfe größer als sie selbst war.
Der Botschafter der Narn ist bestimmt eine interessante Person. Ich wünschte, ich könnte ihn kennenlernen. Wie auch immer, Delenn hat Recht. Es ist beunruhigend, dass er von den Schatten weiß. Das dürfte eigentlich nicht möglich sein.
"Mir ist klar, dass das nicht gerade die feine Art war", sagte Delenn weiter. "Aber die Drohung war sehr wirkungsvoll. Seitdem geht er mir so weit wie möglich aus dem Weg. Es fragt sich bloß, wie lange es dauert, bis er sich traut, mich wieder auszuhorchen.
So, jetzt verabschiede ich mich für dieses Mal. Ich habe nämlich viel zu tun. Ich werde dir ein andermal weitere Einzelheiten vom Leben auf der Station erzählen. Also dann, auf Wiedersehen, und grüße bitte alle recht herzlich von mir."
Hier endete die Nachricht, und der Bildschirm schaltete sich aus. Rhiannon nahm den Kristall aus dem Abspielgerät und legte ihn in eine verschließbare Schublade.
Ria biss nachdenklich auf ihrer Lippe herum. Sie mochte die Narn, schon allein aus dem Grund, weil sie den Menschen im Krieg gegen die Minbari Waffen geliefert und den Flüchtlingen geholfen hatten. Vielleicht würden sich die Narn als starke Verbündete im Kampf gegen die Schatten erweisen.
Rhiannon schreckte auf. Beinahe hätte sie über diese Grübeleien ihren Gast vergessen. Er fragte sich bestimmt schon ungeduldig, wo sie blieb.
Rasch verließ sie ihre Zimmer und lief die Treppe hinunter, die zur Eingangshalle führte. William wartete tatsächlich schon auf sie.
"Tut mir leid, dass ich dich habe warten lassen. Hast du dich schon eingerichtet?"
Er nickte. "Ja, danke."
"Sehr gut", entgegnete Rhiannon zufrieden. "Dann können wir ja gehen."
Will runzelte verwundert die Stirn. "Und wohin?"
"Zum Ort des Lernens", entgegnete Ria geheimnisvoll.
Sie brachte William zum Ersten Tempel von Yedor, wo sie früher selbst unterrichtet worden war. Sie musste lächeln, als sie sich an ihren ersten Tag im Tempel erinnerte. Ein zorniges, unsicheres Kind war sie damals gewesen.
Es schien lange her zu sein. Seit dem hatte sich viel geändert. Sie war kein verängstigtes Mädchen mehr, sondern eine selbstbewusste junge Frau.
"Was sollen wir hier?" fragte Will nicht sehr begeistert, als sie den Tempel betraten.
"Du willst doch die Kultur der Minbari kennenlernen und die Sprachen studieren", entgegnete Rhiannon. "Und das ist der perfekte Ort dafür."
"Hallo Riann."
Sie lächelte erfreut, als sie Tennan, ihren früheren Lehrer sah, der auf sie zukam. "Ich grüße Sie, Meister. Wie geht es ihnen?"
"Gut, danke." Der alte Priester erwiderte das Lächeln. "Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen." Er warf Rias Begleiter einen kurzen Blick zu. "Wer ist dieser Mann?"
"Er ist mein Schützling", erklärte Rhiannon. Wie Tennan sprach sie minbari, damit William sie nicht verstand. "Ich habe mich seiner angenommen."
"Denkst du, du tust das Richtige?" fragte der alte Priester.
"Ja", antwortete Ria mit voller Überzeugung. "Es ist an der Zeit, dass ich etwas von dem Geschenk zurückgebe, das ich damals von euch allen bekommen habe."
"Das hast du zwar schon, aber von mir aus..." Tennan lächelte und berührte sie kurz an der Wange. "Dein Schützling wird uns hier willkommen sein."
Rhiannon verneigte sich tief. "Vielen Dank, Meister."
Der Priester wandte sich auf Erdstandard an Rias Begleiter. "Und wie heißt du?"
"Mein Name ist William Cole", antwortete er und neigte den Kopf leicht.
Tennan breitete die Arme ein wenig aus. "Willkommen im Tempel, William", sagte er freundlich. "Ich hoffe, du wirst dich hier wohl fühlen."
Will war ein wenig überrascht. So nette Worte hatte er nicht erwartet. "Ich danke Ihnen. Ich hoffe, ich werde hier viel lernen."
Offenbar hatte er damit genau das Richtige gesagt, denn der alte Minbari lächelte. "Oh, das bezweifle ich nicht." Er wurde wieder ernster. "Allerdings wird es dir nicht erlaubt sein, Texte oder Kopien von Schriftstücken aus dem Tempel mitzunehmen. Die Aufzeichnungen sind nicht für Außenweltler bestimmt."
"Natürlich", entgegnete Will eingeschüchtert.
"Gut." Tennan nickte bedächtig. "Wir sehen uns dann später."
Er ging, ohne eine Antwort abzuwarten, und William runzelte verwundert die Stirn, als er dem Priester hinterhersah. "Wer war das?"
"Sech Tennan", erklärte Rhiannon. "Er ist der Vorsteher des Tempels." Bevor Will etwas sagen konnte, fuhr sie fort: "Und jetzt komm bitte, ich werde dir alles zeigen."
"Na gut."
Ria führte William durch die öffentlichen Teile des Tempels und stellte ihm einige ihrer Freunde und auch einen Teil der Lehrkräfte vor.
"Du kannst auch ohne mich hier her kommen, wenn ich keine Zeit habe dich zu begleiten", sagte Rhiannon, als sie in den Tempelpark hinaus gingen. "Die Leute, die ich dir vorgestellt habe, werden dir helfen, wenn du sie darum bittest."
Will lächelte sie an. "Gut zu wissen."
Ria blieb ernst. "Aber bringe niemanden sonst hier her. Du hast gehört, was Sech Tennan gesagt hat. Der Tempel ist normalerweise verbotenes Terrain für Fremde. Ich habe mich nur getraut dich hier her zu bringen, weil ich Tennan gut kenne."
"Und wieso darfst du hier sein?" fragte William und sah sie von der Seite an.
Rhiannon wich seinem Blick aus. "Meine Pflegemutter hat gute Beziehungen."
"Aha." In Wirklichkeit verstand William diese Bemerkung nicht ganz, aber er beließ es erst einmal dabei, da er befürchtete, Ria durch weitere Fragen zu verärgern.
Will hatte sich selten so wohl gefühlt wie in dieser friedlichen Atmosphäre des Tempels, auch wenn einige der Minbari ihm sehr misstrauisch begegneten.
Am Abend lernte er Rhiannons Familie kennen, die ihn zwar zurückhaltend, aber nicht unbedingt unfreundlich empfing.
Ja, es hatte sich an dem Tag doch noch alles besser entwickelt, als er am Morgen zu hoffen gewagt hatte.


Fortsetzung: Kapitel 4


Jennifer Fausek
30.10.2002
Website von Jennifer Fausek

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